Ozonschicht und Ozonloch: Hintergründe und Trends

Ozonschicht und Ozonloch: Hintergründe und Trends
Ozonschicht und Ozonloch: Hintergründe und Trends
 
Ozonklimatologie
 
Das Ozonloch über der Antarktis ist die stärkste Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre, die diese seit Beginn ihrer regelmäßigen Untersuchungen und möglicherweise auch zuvor je erfahren hat. Es ist ein saisonales Phänomen, das sich jeweils im ausgehenden Winter und beginnenden Frühjahr, in den Monaten September/Oktober über dem Südpol und — in schwächer ausgeprägter Form — in den Monaten Februar/März über dem Nordpol, einstellt und sich danach wieder schließt. Die begleitenden Ozonverluste sind aber auch in mittleren Breiten nachweisbar.
 
Das Ozonloch über dem Südpol wurde 1985 von den Wissenschaftlern Joe C. Farman, Brian G. Gardiner und Jon D. Shanklin an der britischen Antarktisstation Halley Bay (76º S, 26º W) entdeckt. An dieser Station werden seit 1956, dem Internationalen Geophysikalischen Jahr, regelmäßige Sondierungen der stratosphärischen Ozonschicht durchgeführt. Die Monatsmittelwerte dieser Messreihen zeigten seit über zehn Jahren jeweils im Oktober einen abfallenden Trend, der die Wissenschaftler veranlasste, einen Zusammenhang mit den steigenden FCKW-Konzentrationen herzustellen und auf einen anthropogenen Einfluss hinzuweisen.
 
Die Entdeckung des Ozonlochs
 
Ozonverluste von diesem Ausmaß und über den kalten, nur schwach beschienenen Winterpolen waren von der Fachwelt nicht erwartet worden. Es war deshalb nicht überraschend, dass die Beobachtungen und Schlussfolgerungen von Farman, Gardiner und Shanklin zunächst mit einiger Skepsis aufgenommen wurden. Obwohl die Ozon-Konzentration bis 1985 schon sechs Jahre lang regelmäßig von Satelliten registriert worden war, war das Ozonloch bei diesen Messungen unentdeckt geblieben. Derartig niedrige Konzentrationen, wie im Oktober über dem Südpol, waren in den Datenalgorithmen der Messinstrumente nicht vorgesehen. Nach der Veröffentlichung der Beobachtungen an der Antarktisstation Halley Bay wurden die Satellitendaten jedoch neu analysiert. Dabei konnte die von den britischen Wissenschaftlern entdeckte dramatische Abnahme der Ozonschichtdicke bestätigt werden. Die Aufklärung der Ursachen für die Ausbildung des Ozonlochs durch zwei intensive Messkampagnen der NASA führte schließlich dazu, dass auch die von Farman, Gardiner und Shanklin postulierte anthropogene Auslösung wissenschaftlich akzeptiert wurde.
 
Das Ozonloch über den Polen ist nicht die einzige beobachtete Veränderung der stratosphärischen Ozonschicht. Auch andere geographische Breiten mit Ausnahme der Äquatorialbereiche zeigen negative Trends in der Ozonschichtdicke. In mittleren Breiten der Nordhemisphäre einschließlich der Lage der Bundesrepublik Deutschland beträgt dieser Trend beispielsweise —3 Prozent pro Dekade im Sommer und —6 Prozent pro Dekade im Winter, sodass sich die Ozonschicht auch über unseren Köpfen — bezogen auf die Zeit vor der Emission von FCKW — schon deutlich verringert hat. Obwohl die FCKW-Konzentrationen in der Atmosphäre langsam abnehmen, wird sich die Ozonschicht vermutlich erst gegen Mitte des 21. Jahrhunderts wieder erholt haben.
 
Besorgniserregend an einer abnehmenden Ozonschicht ist vor allem die Zunahme der UV-B-Strahlung (Ultraviolettstrahlung im Bereich von 280 bis 315 Nanometer) in Bodennähe. Diese Strahlung ist schädlich für alle lebenden Zellen, einschließlich ihrer Kernbausteine. Die Intensität der UV-B-Strahlung selbst zeigt aber eine hohe natürliche Variabilität mit der Jahreszeit und der geographischen Breite. Daher ist die Zuordnung von UV-B-Schädigungen zu anthropogenen Ozonveränderungen immer noch schwierig und nur in wenigen Fällen gelungen.
 
Globale Ozonverteilung
 
Ozon ist ein Spurengas in der gesamten Atmosphäre von Bodennähe bis in etwa 100 Kilometer Höhe. Seine Hauptmenge befindet sich in der unteren Stratosphäre zwischen 10 und 30 Kilometer Höhe (Ozonschicht) mit einem maximalen Mischungsverhältnis von 5 bis 10 ppm. Die Ausbildung einer geschichteten und nicht gleichförmigen Vertikalverteilung des Ozons ist eine Besonderheit ihres Bildungsmechanismus. Die einfallende Sonnenstrahlung, die die Sauerstoffmoleküle photochemisch spaltet und daraus das Ozon entstehen lässt, wird mit zunehmender Eindringtiefe in die Atmosphäre schwächer. Andererseits nimmt die Sauerstoffmenge in derselben Richtung exponentiell zu. Dies führt zu einer bestimmten Höhe, in der das Produkt von Strahlungsintensität und Sauerstoffmenge und damit die Ozon-Konzentration maximal wird.
 
Die Ozon-Konzentration ist sowohl vertikal als auch über den Globus nicht gleichförmig verteilt. Die globale Verteilung ist aber nicht willkürlich, sondern entspricht einem bestimmten Muster, das sich mit der Jahreszeit ändert. Für dieses Muster sind die Transportvorgänge in der Stratosphäre verantwortlich. Ozon wird hauptsächlich in der Stratosphäre über den Tropen gebildet, weil dort die Sonne ganzjährig am intensivsten scheint. Von hier aus wird das Ozon in der unteren Stratosphäre zu höheren Breiten transportiert, wo es — wegen der geringeren Sonneneinstrahlung geschützt vor einer photochemischen Zerstörung — zu höheren Konzentrationen anwachsen kann als über den Tropen.
 
Der Mechanismus dieses Transports ist im Winter/Frühjahr besonders effektiv, sodass zu dieser Jahreszeit die höchsten Ozon-Konzentrationen in höheren Breiten auftreten. Die Ozonmenge zeigt deshalb im Verlauf eines Jahres über einem bestimmten Ort der Nordhemisphäre ein Maximum im Frühjahr und ein Minimum im Herbst. In der Südhemisphäre ist die Jahreszeitvariation ähnlich, aber um sechs Monate phasenverschoben.
 
Über den regulären Jahresgang hinaus schwankt die Ozon-Gesamtkonzentration, insbesondere in mittleren Breiten, auf einer Zeitskala von wenigen Tagen auch kurzfristig. Diese Schwankungen werden durch die troposphärischen Wettersysteme verursacht. Die Ausbildung von Tief- und Hochdruckgebieten (Zyklonen und Antizyklonen) ist von einer Veränderung der Höhe der Tropopause und damit der Ozongesamtmenge begleitet. Immer wenn sich die Tropopause senkt, wie über einer Zyklone, erhöht sich die Dichte der lokalen Ozonsäule und umgekehrt. Die Amplituden dieser Variation können bis zu ± 20 Prozent betragen, vergleichbar mit der saisonalen Änderung der Ozon-Konzentration im Verlauf eines Jahres.
 
Die Bedeutung des Ozons in der Atmosphäre ist äußerst vielschichtig. Über die Filterwirkung für die energiereiche Sonnenstrahlung (UV-B-Strahlung) hinaus, ist das Ozon für die Temperaturstruktur der Stratosphäre verantwortlich. Dies beruht auf der Absorption des Sonnenlichts und der daraus resultierenden Aufheizung. Eine wichtige Begleiterscheinung dieser Aufheizung ist die vertikale Stabilität bezüglich der Mischungsprozesse.
 
Die Troposphäre, in der die Temperatur mit zunehmender Höhe abnimmt (negativer Temperaturgradient), wird vertikal schnell und intensiv durchmischt. Dagegen behindert der positive Temperaturgradient in der Stratosphäre, also die Zunahme der Temperatur mit der Höhe, die Vertikalmischung. Die Stratosphäre ist daher quasi von der Troposphäre entkoppelt. Aus diesem Grund können nur sehr langlebige Stoffe aus der Troposphäre in die Stratosphäre eintreten, die dort auch entsprechend lange verweilen. Dies gilt für die FCKW ebenso wie für andere Spurengase, die die Ozon-Konzentration beeinflussen.
 
 Chemische Prozesse in der Stratosphäre
 
Die Zahl der chemischen Komponenten ist in der Stratosphäre deutlich kleiner als in der Troposphäre, und die Chemie ist auf einfache Verbindungen begrenzt. Dafür ist die Stratosphäre aber einer viel energiereicheren und intensiveren Sonnenstrahlung ausgesetzt, sodass photochemische Prozesse eine größere Rolle spielen.
 
Die Hauptbestandteile der Atmosphäre (Sauerstoff und Stickstoff) sind unter den gegebenen Bedingungen von Druck und Temperatur in der Stratosphäre chemisch praktisch inert. Die Sonnenstrahlung in der Stratosphäre ist — im Gegensatz zu der in der Troposphäre — aber noch energiereich genug, um Sauerstoffmoleküle (O2) photochemisch zu spalten. Die dabei entstehenden Sauerstoffatome (O) reagieren mit weiteren Sauerstoffmolekülen zum Ozonmolekül (O3). Da das Ozon selbst wieder photochemisch in O und O2 gespalten werden kann, stellt sich ein photochemisches Gleichgewicht ein, in dem bei vorgegebener Sonnenintensität ein festes Verhältnis von Ozon zu Sauerstoff vorliegt. Dieses Verhältnis variiert mit der Höhe und der geographischen Breite. Die mittlere Ozonverteilung gibt dieses Verhältnis aber nur annähernd wieder, weil sie außer durch die Photochemie auch durch den Transport des Ozons mitbestimmt wird.
 
Die Ozon-Konzentration in der Stratosphäre ist viel größer als die aller anderen Spurengase, die das Ozon verbrauchen könnten. Ein Ozonabbau ist daher nur durch katalytische Zyklen möglich, die erstmals 1950 durch den britischen Mathematiker David R. Bates und den belgischen Atmosphärenphysiker Marcel Nicolet postuliert wurden. In diesen Zyklen wird im Wechselspiel von Sauerstoffatomen und Ozonmolekülen, die beide von Atmosphärenchemikern als »ungerader Sauerstoff« (Ox) bezeichnet werden, mit einem Katalysator (X) die Konzentration von Ox abgesenkt:
 
X + O3 → XO + O2
 
O + XO → X + O2
 
netto: O + O3 → 2 O2
 
Der Katalysator X wird dabei nicht verbraucht und kann deshalb wiederholt — bis zu mehrere Tausend Male — denselben Prozess durchlaufen, sodass als Ergebnis die Konzentration von Ox, und damit von Ozon, abnimmt.
 
Ozonabbau durch katalytische Zyklen
 
Die Identifizierung der Ozonabbau-Katalysatoren (X) spiegelt die Entwicklung der Atmosphärenchemie seit 1950 wider. Die Entdecker des Katalysemechanismus, Bates und Nicolet, postulierten zunächst nur den HOx-Zyklus, der durch den natürlich vorhandenen Wasserdampf in der Stratosphäre ausgelöst wird. In diesem Fall gilt für den Katalysator X = OH und für XO = HO2. In den 1970er-Jahren wurden die vornehmlich anthropogen induzierten Stickoxid- (NOx), Chloroxid- (ClOx) und Bromoxidzyklen (BrOx) identifiziert. Dies war nicht nur die Folge eines wachsenden Kenntnisstands über die chemische Zusammensetzung der Stratosphäre, sondern auch einer beginnenden Sensibilisierung von Wissenschaft und Gesellschaft für eine möglicherweise bleibende Schädigung der bereits zu diesem Zeitpunkt als verletzlich erkannten Stratosphäre.
 
Der Stickoxidzyklus wurde 1970/71 von dem niederländischen Meteorologen Paul Crutzen und von dem amerikanischen Physikochemiker Harold Johnston formuliert, als sich die Wissenschaftler erstmals mit den möglichen Folgen des zivilen Überschallflugverkehrs befassten. Die Zerstörung der Ozonschicht durch die Stickoxid-Emissionen aus solchen Flugzeugen ist heute etabliertes Wissen, allerdings ist es nie zu der damals vorhergesagten beträchtlichen Flotte von Überschallflugzeugen gekommen. Der Zyklus von ClOx wurde von dem aus Mexiko stammenden amerikanischen Physikochemiker Mario Molina und dem amerikanischen Chemiker F. Sherwood Rowland 1974 erkannt. Aus ersten Messungen der FCKW-Konzentrationen in der Atmosphäre schlossen die Wissenschaftler, dass alle bislang emittierten Mengen noch in der Atmosphäre vorhanden sind und lediglich durch Photolyse, das heißt durch Spaltung mit Licht, in der Stratosphäre abgebaut werden können. Ähnliches gilt für den von Steven C. Wofsy, einem amerikanischen Atmosphärenchemiker, 1975 entdeckten Bromoxidzyklus, der auf den Erkenntnissen über das chemische Verhalten der Halone, damals praktisch ausschließlich als Feuerlöschmittel verwendeter Halogenkohlenwasserstoffe, in der Atmosphäre beruht.
 
Alle bekannten Katalysatoren sind freie Radikale, das heißt hochreaktive Spezies mit einem ungepaarten Elektron, die aus natürlichen oder anthropogenen Spurengasen erst in der Stratosphäre gebildet werden. Obwohl die Chemie des Ozonabbaus im Prinzip einfach ist, wird sie dadurch in ihrem Ablauf kompliziert, dass die verschiedenen Katalysatoren miteinander wechselwirken. Seit der Postulierung der katalytischen Zyklen haben sich die Kenntnisse über die photochemischen Prozesse der Stratosphäre enorm erweitert. Heute kann die Ozon-Konzentration als Funktion von Raum und Zeit für verschiedene Szenarien von anthropogenen Spurengas-Konzentrationen mit guter Qualität wiedergegeben werden. Auch bestehen kaum Zweifel, dass die anthropogenen Spurengase für die Ausdünnung der Ozonschicht verantwortlich sind.
 
Polare stratosphärische Wolken
 
Mit der Entdeckung des Ozonlochs und der Deutung seiner Ursachen ist zu der bereits sehr komplexen atmosphärischen Gasphasenchemie eine neue, zuvor weder bekannte noch erwartete Komponente hinzugekommen: die Chemie an den Oberflächen von Teilchen der polaren stratosphärischen Wolken (PSC, von englisch polar stratospheric cloud), die durch niedrige Temperaturen ausgelöst wird. Die Stratosphäre über den Polen wird im Winter, wenn sie nicht von der Sonne beschienen wird, durch Abstrahlung von Energie im Infrarotspektralbereich stark gekühlt. Die Temperaturen fallen auf —80 bis —90 ºC. Unter diesen extremen Bedingungen bilden sich flüssige und feste Partikel, die aus Schwefelsäure (H2SO4), Salpetersäure (HNO3) und Wasser (H2O) bestehen. In der Meteorologie sind solche Partikelwolken als Perlmutterwolken bekannt, die beispielsweise in Skandinavien durch Reflexion des Lichts der tief stehenden Wintersonne gelegentlich sichtbar sind.
 
Die Oberflächen solcher Partikel sind — entgegen der ursprünglichen Erwartung — chemisch reaktiv. Sobald Moleküle von Chlor-Reservoirverbindungen wie Chlornitrat (ClONO2) oder Chlorwasserstoff (HCl) auf diese Oberflächen stoßen, werden sie schnell in molekulares Chlor (Cl2) oder in die Hypochlorige Säure (HOCl) überführt, sodass im Laufe des polaren Winters eine Umverteilung des Chlorgehalts stattfindet. Die Atmosphärenchemiker haben für diesen Vorgang den Begriff »Aktivierung« geprägt. Aktivierung deshalb, weil mit der im Frühjahr mit dem Ende der Polarnacht aufgehenden Sonne die aktivierten Chlorverbindungen deutlich schneller photolysiert werden — und dabei den Chloroxid-Katalysator (ClOx) freisetzen — als die stabileren Chlor-Reservoirverbindungen.
 
Die Photolyse der aktivierten Chlorverbindungen erzeugt extrem hohe Konzentrationen an Chloroxid-Radikalen. In einem neu entdeckten Katalysezyklus wird das Ozon — ohne Beteiligung von Sauerstoffatomen — in bestimmten Höhenbereichen innerhalb weniger Wochen fast vollständig verbraucht. Ein Ozonabbau durch den konventionellen Mechanismus wäre aufgrund der zu dieser Jahreszeit extrem kleinen Konzentration von Sauerstoffatomen nicht möglich. Erst nach ausreichender Erwärmung der polaren Stratosphäre durch die Frühjahrssonne verdampfen die genannten Partikel, die Chlorverteilung geht wieder in die stabilen Reservoirverbindungen über und der Ozonabbau kommt zum Stillstand. Durch das Zuströmen von ozonreicheren Luftmassen aus niederen Breiten wird das Ozonloch wieder aufgefüllt.
 
Quellen der Ozonabbau-Katalysatoren
 
Die Quellen der Ozonabbau-Katalysatoren HOx, NOx, ClOx und BrOx sind Wasserdampf (H2O), Lachgas (N2O) sowie chlor- und bromhaltige organische Verbindungen. Während der Wasserdampf in der Stratosphäre im Wesentlichen natürlichen Ursprungs ist, haben die anderen Quellgase stark oder ausschließlich anthropogene Anteile.
 
Wasserdampf gelangt durch das Verdampfen von Wasser über den Ozeanen und Kontinenten in die Atmosphäre. Während sein Anteil in der Troposphäre sehr variabel ist und bis zu mehrere Prozent betragen kann, macht der Anteil in der Stratosphäre nur einige parts per million (ppm) aus. Der Grund für diese starke Abnahme des Mischungsverhältnisses ist die kalte Tropopause, die wie eine Kühlfalle wirkt und den Wasserdampf auskondensieren lässt. Wasserdampf entsteht aber auch in der Stratosphäre selbst durch die Oxidation von Methan (CH4). Etwa die Hälfte der Gesamtmenge ist auf diesen In-situ-Bildungsprozess zurückzuführen.
 
Eine bislang ungeklärte Frage ist, ob der stratosphärische Wasserdampfgehalt und damit die Konzentration des HOx-Katalysators auch anthropogen beeinflusst werden kann. Während die Methan-Konzentration in der Atmosphäre mit 0,7 Prozent pro Jahr anwächst, ist die mögliche andere anthropogene Quelle — nämlich die Wasserdampf-Emission aus den Triebwerken des konventionellen Flugverkehrs, der auf Langstrecken häufig in der unteren Stratosphäre erfolgt — zurzeit noch nicht quantifiziert.
 
Das wichtigste Quellgas des NOx-Katalysators in der Stratosphäre ist Lachgas. Es entsteht in den Ozeanen, in natürlichen und landwirtschaftlich genutzten Böden und bei der Verbrennung von Biomasse. Nach heutiger Kenntnis ist die natürliche Produktion etwa doppelt so groß wie die anthropogene; die Gesamtmenge wächst mit 0,25 Prozent pro Jahr an. Das am Boden gebildete N2O gelangt aufgrund seiner langen troposphärischen Lebensdauer, die die Zeitkonstante für den Vertikalaustausch in der Troposphäre deutlich übersteigt, in die Stratosphäre.
 
Die wesentlichen Quellen des ClOx-Katalysators sind Chlor- und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (CKW/FCKW). Mit Ausnahme von Chlormethan (CH3Cl), das biogen in den Ozeanen gebildet wird, sind alle CKW/FCKW ausschließlich anthropogenen Ursprungs. Dies ist unter anderem an der zeitlichen Entwicklung der atmosphärischen Konzentrationen dieser Gase sichtbar. Während die Konzentrationen aller anthropogenen Komponenten noch Mitte der 1980er-Jahre stark zunahmen, ist die Konzentration von Chlormethan immer konstant geblieben.
 
Das Montrealer Protokoll
 
Am 16. 9. 1987 wurde das »Montrealer Protokoll über ozonabbauende Substanzen« verabschiedet. Es trat zum 1. 1. 1989 in Kraft, nachdem es von einer ausreichenden Zahl von Staaten, die mehr als zwei Drittel der globalen FCKW-Produktion repräsentierten, ratifiziert worden war. Das Protokoll war von Anfang an darauf angelegt, jederzeit neue wissenschaftliche Erkenntnisse aufzugreifen und die Vereinbarungen gegebenenfalls zu verschärfen. So wurden die ursprünglich vereinbarten Ausstiegszeiten — nachdem man erkannt hatte, dass durch deren Einhaltung die FCKW-Konzentrationen in der Stratosphäre nicht stabilisiert oder gar deutlich reduziert werden könnten — bereits 1990 in London und 1992 in Kopenhagen verkürzt. Außerdem wurde ein Gesamtverzicht auf die Produktion von Halonen und FCKW in den Industrieländern für den 1. 1. 1994 beziehungsweise 1. 1. 1996 beschlossen. Für die Entwicklungsländer gelten einheitliche Ausstiegstermine für das Jahr 2010. In der Vereinbarung von Wien (1995) wurden schließlich auch Beschlüsse über die Regulierung von Brommethan (CH3Br) gefasst.
 
Im Rahmen der nationalen Möglichkeiten, die über die Beschlüsse des Montrealer Protokolls hinausgehen, hat die Bundesregierung 1991 die FCKW-Halon-Verbotsverordnung erlassen. Danach ist die Verwendung von Halonen als Feuerlöschmittel seit dem 1. 1. 1992 verboten; die Produktion von FCKW wurde im Lauf des Jahres 1994 in Deutschland vollständig eingestellt. Eine Ausnahmeregelung des Montrealer Protokolls, die auch in Deutschland übernommen wurde, ist die Verwendung von FCKW als Treibmittel in medizinischen Inhalationssprays. Die verwendeten Mengen müssen allerdings beantragt und offiziell genehmigt werden.
 
Als Ergebnis des Montrealer Protokolls hat sich die Zunahme der Konzentration aller anthropogenen Chlorverbindungen in den 1990er-Jahren deutlich verringert; teilweise nehmen die Konzentrationen bereits ab. Für den Gesamtgehalt der Troposphäre an organischen Chlorverbindungen ist 1999 ein Wert von etwa 3,6 parts per billion (ppb) gemessen worden. Dieser Gehalt nimmt — als eindeutig nachweisbare Auswirkung des Montrealer Protokolls — mit einer Rate von einem bis zwei Prozent pro Jahr ab.
 
Die Quellgase des BrOx-Katalysators sind die Halone (CF2ClBr und CF3Br) und Brommethan (CH3Br). Während die Halone ausschließlich industriell hergestellt werden, hat Brommethan sowohl anthropogene (Entkeimungsmittel) als auch natürliche (Ozeane, Biomasseverbrennung) Quellen. Im Jahr 1999 wurde für die Gesamtkonzentration von organischen Bromverbindungen in der Troposphäre ein Wert von 16 ± 2 ppt (parts per trillion) ermittelt. Dieser Wert ist damit deutlich kleiner als der der entsprechenden Chlorverbindungen. Der Konzentrationsanstieg ist Ende der 1990er-Jahre aufgrund des Montrealer Protokolls verglichen mit der Situation Mitte der 1980er-Jahre deutlich geringer.
 
 Veränderungen des Ozongehalts der Stratosphäre
 
Obwohl die Ozon-Konzentration in der Atmosphäre schon seit den 1920er-Jahren gemessen werden kann, bestehen standardisierte Messverfahren und ein entsprechendes Messnetz erst seit 1956. In diesem Jahr wurde die Internationale Ozonkommission durch die World Meteorological Organisation (WMO) eingesetzt. Spätestens seit den 1974 veröffentlichten Ergebnissen von Rowland und Molina über den Einfluss der FCKW auf die Ozonschicht haben diese Messnetze auch die Suche nach dem »anthropogenen Signal« aufgenommen. Seit 1978 kamen die Satelliteninstrumente hinzu, die erstmals, im Vergleich zum Netz der Bodenstationen, eine globale Beobachtung der Ozonschicht ermöglichten.
 
Die Analyse langjähriger Ozonmessreihen zeigte schnell, dass es aufgrund der hohen natürlichen Variabilität schwierig sein würde, anthropogene Veränderungen zu identifizieren. Erst 1989, nachdem auch eine ausreichend lange Satellitenmessreihe vorlag und die Ozon-Konzentration für alle bekannten natürlichen Variationen korrigiert werden konnte, ist es gelungen, den Trend der anthropogenen Konzentrationsänderung nachzuweisen. Überraschenderweise zeigte sich dabei, dass dieser Trend global keineswegs einheitlich ist, sondern von der geographischen Breite und der Jahreszeit abhängt. Die stärksten Veränderungen der Ozon-Konzentration werden in hohen Breiten während der Winter-/Frühjahrsmonate beobachtet. Das Ozonloch über dem Südpol ist ein regionales Extremereignis.
 
Globale Trends
 
Die Ergebnisse der Satellitenbeobachtungen der Ozonschicht erlauben eine genauere Differenzierung der Trends nach der geographischen Breite. Es ist dabei üblich, den Breitenbereich 60º S bis 60º N als globalen Bereich zu definieren und diesem einen »globalen Trend« zuzuordnen. Der globale Trend beträgt —2,9 Prozent pro Dekade im Zeitraum von 1979 bis 1991. In den darauf folgenden Jahren war zunächst eine spontane Verstärkung des Ozonverlusts zu erkennen, die den Folgen einer zusätzlichen Aerosolbeladung der Stratosphäre durch den Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Sommer 1991 zugeordnet wird, gefolgt von einer leichten Abschwächung der linearen Trends seit etwa 1994.
 
Ob diese Abschwächung bereits ein Zeichen für eine beginnende Erholung der Ozonschicht als Folge der rückläufigen FCKW-Konzentrationen ist, wird in der Wissenschaft noch sehr kontrovers diskutiert. Sicher ist aber, dass sich die Ozonschicht innerhalb der letzten 20 Jahre im globalen Bereich etwa um fünf Prozent im Jahresmittel verringert hat. Der globale Trend kann räumlich und jahreszeitlich weiter differenziert werden. Er wird hauptsächlich durch die Trends in höheren Breiten während der Winter- und Frühjahrsmonate bestimmt. Während in der Nordhemisphäre diese Trends —6 Prozent pro Dekade nicht überschreiten, werden in der Südhemisphäre Werte von mehr als —10 Prozent pro Dekade erreicht. Die Äquatorialregion zeigt im Gegensatz dazu kaum Veränderungen in der Ozonschichtdicke. Für diese regional und jahreszeitlich sehr unterschiedlichen Ausprägungen gibt es nach heutigem Verständnis zwei Ursachen: zum einen heterogene chemische Prozesse an stratosphärischen Partikeln und zum andern den Einfluss der stärkeren Ozonverluste in den polaren Bereichen im Winter, der sich bis auf die mittleren Breiten auswirkt.
 
Das Ozonloch über der Antarktis
 
Die stärkste bislang beobachtete Veränderung der stratosphärischen Ozonschicht ist das jährlich wiederkehrende Ozonloch über der Antarktis. Seit seiner Entdeckung hat sowohl die jeweilige Verringerung der Ozonschichtdicke als auch die räumliche Ausdehnung ständig zugenommen. Die Ozonverluste betragen heute bis zu 60 Prozent der Gesamtsäule über einer Fläche von fast 25 Millionen Quadratkilometer. Rein rechnerisch entspricht dies einer Ozongesamtmenge von fast 40 Millionen Tonnen, die jedes Jahr während eines Ozonlochereignisses über dem Südpol verloren gehen.
 
Für das Verständnis der Ursachen des Ozonlochs ist die Vertikalstruktur der Ozonverteilung sehr wichtig. Während unterhalb von 13 km und oberhalb von 20 km die Ozonkonzentration so gut wie unverändert bleibt, geht im mittleren Höhenbereich praktisch das gesamte Ozon verloren. In diesem Höhenbereich findet die Bildung der polaren stratosphärischen Wolken (PSC) und die Aktivierung der Chlorverbindungen statt. Bei genügend tiefen Temperaturen und damit starker PSC-Bildung dauert der Aktivierungsprozess nur wenige Tage. Der Ozonverlust tritt aber erst ein, wenn die Frühjahrssonne am Ende der Polarnacht in die Stratosphäre zurückkehrt und der entsprechende Katalysezyklus ablaufen kann.
 
Gibt es ein Ozonloch über dem Nordpol?
 
Die Entdeckung des Ozonlochs über dem Südpol hatte zur Folge, dass die Frage aufkam, ob ein solches Phänomen auch über dem Nordpol vorhanden ist oder ob es sich dort jemals einstellen kann. Zur Klärung dieser Frage wurde die Ozonforschung in Deutschland und in anderen europäischen Ländern gegen Ende der 1980er-Jahre deutlich verstärkt. Diese Aktivitäten lassen folgende Schlüsse zu:
 
Auch die Nordpolarregion zeigt deutlich saisonal verstärkte Ozondefizite, meist während der Monate Dezember bis März. Solche Defizite wurden erstmals im Winter 1992/93 beobachtet und seither in unregelmäßigen Abständen bestätigt. Neben den Ozon-Konzentrationen wurden auch die Konzentrationen anderer Spurengase regelmäßig beobachtet. Diese Messungen zeigen die Veränderungen in der Chlorverteilung, wie sie für die heterogene Chemie an den Oberflächen der PSC-Teilchen typisch sind. Außerdem konnten die hohen Konzentrationsniveaus von Chloroxid-Radikalen, die für den Ozonabbau durch den winterlichen Katalysezyklus charakteristisch sind, bestätigt werden. In der Nordpolarregion läuft deshalb grundsätzlich dieselbe anthropogen induzierte Chemie ab wie über dem Südpol.
 
Warum sind wir dennoch von einem Ozonloch wie über dem Südpol (bislang) verschont geblieben? Die Antwort auf diese Frage liefert die Meteorologie. Während sich über dem Südpol in jedem Winter regelmäßig ein kalter Polarwirbel, das heißt ein stratosphärisches Hochdruckgebiet mit sinkenden Luftmassen in einem abgegrenzten Bereich, einstellt, ist dies über dem Nordpol nur gelegentlich der Fall. Doch selbst wenn ein solcher Polarwirbel entsteht, ist er weniger stark abgegrenzt. Die Luftmassen können sich daher noch mit solchen aus niederen Breiten austauschen. Ein Polarwirbel über dem Nordpol löst sich darüber hinaus häufig im Verlauf des Winters frühzeitig wieder auf. Die Folge ist, dass die Temperaturen im Mittel um etwa 10 ºC höher sind als über dem Südpol und sich demzufolge weniger PSC bilden. Die Chloraktivierung und damit der Ozonabbau fallen daher schwächer aus.
 
Prognosen für die Ozonschicht
 
Nach heutigem Verständnis sind die Ozonverluste in der Stratosphäre und das Ozonloch über der Antarktis ausschließlich auf die anthropogene Emission von FCKW und Halonen zurückzuführen. Aufgrund der Wirkung des Montrealer Protokolls ist der Konzentrationsanstieg dieser Verbindungen in der Troposphäre gebremst und teilweise bereits rückläufig. Ein ähnlicher Effekt wird in der Stratosphäre erwartet. Damit ist die Ozonschicht aber noch längst nicht auf dem Wege zu einer schnellen Erholung.
 
Die FCKW haben Lebensdauern von bis zu 100 Jahren. Der Chlorgehalt der Stratosphäre kann sich daher nur sehr langsam verringern. Mit der Rückkehr zu einem Chlorgehalt, der ursprünglich das Ozonloch ausgelöst hat, ist nicht vor 2050 zu rechnen. Ähnliches gilt für die Nordpolarregion: In einem extrem kalten Stratosphärenwinter, dessen Eintreten durchaus in der Varianz der meteorologischen Ereignisse liegt, könnte sich jederzeit innerhalb dieses Zeitraums ebenfalls ein Ozonloch von vergleichbaren Ausmaßen wie über dem Südpol einstellen.
 
Auch der anthropogene Treibhauseffekt kann zu einem verstärkten Ozonabbau beitragen, da er mit einer Abkühlung der Stratosphäre verbunden ist. Damit würde die Wahrscheinlichkeit der PSC-Bildung zunehmen und die Ozonverluste blieben auch bei rückläufigem Chlorgehalt auf hohem Niveau. Derzeitige Modellrechnungen deuten an, dass sich durch diese Kopplung mit dem Treibhauseffekt die Erholung der Ozonschicht um 10 bis 20 Jahre verzögern könnte.
 
Prof. Dr. Reinhard Zellner
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Klima: Schutzmaßnahmen
 
Anthropogene Klimaänderungen
 
Klima: Modellrechnungen
 
 
Fabian, Peter: Atmosphäre und Umwelt. Chemische Prozesse, menschliche Eingriffe. Ozon-Schicht, Luftverschmutzung, Smog, saurer Regen. Berlin u. a. 41992.
 Feister, Uwe: Ozon - Sonnenbrille der Erde. Leipzig 1990.
 Lemmerich, Jost: Die Entdeckung des Ozons und die ersten 100 Jahre der Ozonforschung. Berlin 1990.
 Müller, Rolf: Die Chemie des Ozons in der polaren Stratosphäre. Aachen 1994.
 Röth, Ernst-Peter: Ozonloch - Ozonsmog. Grundlagen der Ozonchemie. Mannheim u. a. 1994.
 
Stratosphärisches Ozon. Wirkungen erhöhter UV-Strahlung auf Mensch und Umwelt, herausgegeben von Frank A. Battig. Wien 1994.

Universal-Lexikon. 2012.

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